Unterwegs zwischen Lake Michigan und dem Chicago River befinden sich faszinierende Zeugnisse aus mehr als hundert Jahren Architekturgeschichte. Warum die Stadt auch „Windy City“ genannt wird, ist umstritten. Ist es wegen des Windes, der durch die Straßenschluchten pfeift, oder aufgrund seiner windigen Politiker? Eines ist jedenfalls unumstritten:
Chicago als Wiege der modernen Architektur
Wie ein Phönix aus der Asche entstand das moderne Chicago nach einem Großbrand im Jahr 1871. Nach dem Brand musste die Stadt fast vollständig neu aufgebaut werden, eine Chance für Innovation, und viele der ersten Wolkenkratzer der Welt wurden hier auf dem sumpfigen Untergrund errichtet. Namhafte Architekten wie beispielsweise Frank Lloyd Wright oder Mies van der Rohe (der vor den Nationalsozialisten nach Chicago geflohen war) haben hier ihre Spuren hinterlassen. Nicht umsonst gilt Chicago als Wiege der modernen Architektur.
Daniel Burnham´s „Plan of Chicago”
Besonders geprägt hat die Stadt der Architekt und Stadtplaner Daniel Burnham (1846-1912). Ihr kennt bestimmt alle Bilder seines Flatiron Buildings in New York. 1909 legte er einen stadtplanerischen Generalentwurf für Chicago vor, der unter anderem die Nutzung der Uferfront am Lake Michigan als freie Landschaftszone mit Stränden, Lagunen, Inseln und Yachthäfen für die Chicagoans vorsah. Seine Herangehensweise dabei: nicht kleckern, klotzen. Oder wie er es ausdrückte: „Make no little plans. They have no magic to stir men´s blood and probably will not themselves be realized”.
Nach seinem Tod (er verstarb im Alter von 65 Jahren in Heidelberg an einer Lebensmittelvergiftung) wurde er auf einer Insel auf dem Graceland Cemetary in Chicago beigesetzt, wie auch Ludwig Mies van der Rohe.
Architekturrundfahrt auf dem Chicago River
Bei einer Bootstour auf dem Chicago River könnt ihr unter fachkundiger Führung Stadt- und Architekturgeschichte erleben, mit spektakulären Blicken auf die Skyline.
Wir haben uns gleich nach der Ankunft ins Boot gesetzt und sind vorbeigeschippert an Ikonen der Architektur: an Gebäuden der Chicago School und Pionieren der Stahlrahmenkonstruktion aus dem späten 19. Jahrhundert (z.B. von Louis Sullivan, Daniel Burnham, William Le Baron Jenney), Art Deco-Gebäuden mit ihren geometrischen Formen und Verzierungen, Gebäuden der internationalen Moderne (z.B. Mies van der Rohe) sowie postmoderner und zeitgenössischer Architektur (z.B. der Aqua Tower von Jeanne Gang).
Fluss mit umgekehrter Fließrichtung
Wusstet ihr, dass der Chicago River der einzige Fluss weltweit mit umgekehrter Fließrichtung ist? Der Lake Michigan ist die größte Trinkwasserquelle für Chicago. Durch die industrielle Verschmutzung im letzten Jahrhundert, insbesondere die zahlreichen Schlachtbetriebe vor Ort, bestand Seuchengefahr. Um die Verschmutzung des Sees zu verhindern, drehten Ingenieure den Fluss einfach um (durch den Bau des Sanitary and Ship Canal im Jahr 1900), der Chicago River fließt nun in Richtung Mississippi River. Und ist mittlerweile so sauber, dass er nächstes Jahr sogar zum Baden freigegeben werden soll.
Kunst und Kultur im Millenium Park
What else to see? Ein absolutes Muss ist aus meiner Sicht der 2001 neu gestaltete Millenium Park, eine Mischung aus moderner Kunst und Architektur, Landschaftsdesign und Parks:
- die silberfarbene, spiegelnde Skulptur Cloud Gate von Anish Kapoor (auch „Bohne“ genannt, very instagrammable)
- der Jay Pritzker Pavillon von Frank Gehry, eine spektakuläre Open Air-Bühne
- die Crown Fountain von Jaume Plensa, 2 hohe Glastürme mit Video-Gesichtern von Einwohnern Chicagos
- und mein persönliches Highlight, der etwas versteckt gelegene Lurie Garden, eine wilde Stadtoase, mitgestaltet vom holländischen Landschaftsarchitekten und Gartendesigner Piet Oudolf. Man wünschte sich einen derartigen wilden Garten vor der Steinwüste des Berliner Stadtschlosses!
Lakefront Trail mit dem Fahrrad
Ebenso zu empfehlen: Raus aus der Stadt, ran ans Wasser und mit dem Fahrrad auf den Lakefront-Trail, der 30 km entlang des Lake Michigan führt. Die Uferpromenade verbindet viele der bekanntesten Parks und Sehenswürdigkeiten. Unterwegs könnt ihr euch gut mit einem Chicago-Style Hotdog stärken – und dabei einen grandiosen Blick auf die Skyline genießen.
Art Institute of Chicago
Auf der to do-Liste sollte auch ein Besuch im Art Institute stehen. Hier könnt ihr 4000 Jahre Kunst aus den verschiedensten Ländern der Erde in einer Sammlung bestaunen. Eines der beeindruckendsten Museen, das ich kenne, auch architektonisch sehr interessant, insbesondere der moderne Anbau. Und ein Gerhard Richter aus meiner Lieblingsphase war auch dabei…
Wir haben uns in diese Stadt sofort verliebt und kommen auf jeden Fall wieder. Nicht nur Kunst und Architektur sind großartig, auch Blues und Jazz sollte man sich nicht entgehen lassen (ein wunderbares Erlebnis: das Jazzfestival mit Konzerten im Pritzker Pavillon), Chicago-Style Hot Dogs oder Deep Pan Pizzas ebenso wie die vielen interessanten und von den unterschiedlichsten Nationalitäten geprägten Neighbourhoods, die es zu entdecken gibt.
Stay tuned für Teil II der Chicago-Story: Auf den Spuren von Frank Lloyd Wright.


















































